„Gemeinschaft und Kontakte ebnen Wege aus der Armut“
„Armut macht einsam, und Einsamkeit verstärkt Armut. Für Wege aus der Armut braucht es daher Gemeinschaft und Kontakte.“ Das hat Katharina Renner, Leiterin des Bereichs PfarrCaritas, Regionalbetreuung und Hilfe für Ukrainer:innen der Caritas der Erzdiözese Wien, bei der Sommerakademie der Katholischen Männerbewegung Österreich (KMBÖ) in Horn deutlich gemacht. Jesuitenpater Markus Inama ermutigte zu einer christlichen Spiritualität, die sich "nicht am Leben vorbeimogelt".
Renner - sie auch Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) - stellte fest, trotz der aktuellen Krisen gehe es den Menschen in Österreich generell besser, als es manchmal den Eindruck macht. Es sei ist nicht so, dass ganze Gesellschaftsschichten verarmen, der hiesige Lebensstandard sei immer noch sehr hoch. „Aber es gibt zweifellos Armut in Österreich, und sie uns oft näher, als wir denken“, so Renner.
14,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung (1,55 Millionen Menschen) sind laut Statistik derzeit armutsgefährdet. Zusätzlich 2,3 Prozent (201.000 Menschen) können sich wesentliche Güter wie Waschmaschine oder angemessene Heizung ihrer Wohnung nicht leisten. Besonders betroffen sind Frauen im Alter, Alleinerzieherinnen, Langzeitarbeitslose und Menschen oder Staatsbürgerschaft. Mehr als ein Fünftel der Armutsgefährdeten sind Kinder.
Die Caritas habe mit ihren 71 Sozialberatungsstellen in ganz Österreich 2022 mehr als 62.000 Menschen beraten und mit Spendengeldern unterstützt. Eine repräsentative Befragung unter den Beratenen ergab etwa, dass sich neun Prozent der Bevölkerung nur jeden zweiten Tag eine warme Mahlzeit leisten können, sieben Prozent kein Ersetzen abgetragener Alltagskleidung vier Prozent kein zweites Paar Alltagsschuhe.
Antragshilfe und Plauderbankerl
Neben finanzieller Hilfe sei Unterstützung in vielen anderen Bereichen gefragt: Gesundheit, Sozialrecht, Anträge, Lernhilfe für Kinder etwa. Ein Bereich mache besonders nachdenklich: soziale Kontakte. „Armut macht einsam, und Einsamkeit verstärkt Armut“, so die Erfahrung der Caritas; und das treffe besonders auch Kinder. Umgekehrt heißt das: „Wege aus der Armut brauchen ein soziales Netz, Kontakte, Gemeinschaft“, unterstrich Renner. Das sei ein Feld, auf dem die Caritas gerade in den Pfarren tätig werden kann und tätig wird. Als Beispiel nannte sie die Initiative „LE+O“ (Lebensmittel und Orientierung, mit der Bedürftige durch überschüssige Lebensmittel aus Supermärkten unterstützt und gleichzeitig Beratung in Anspruch nehmen können), Klimaoasen in Pfarrgärten oder das „Plauderbankerl“ – Orte, die Wege aus der Einsamkeit ermöglichen. Renner lud dazu ein, hier auch Neues auszuprobieren und zu entwickeln.
Ehrenamtliche benötigen Unterstützung
Diese Initiative seien nur durch das Engagement von Freiwilligen / Ehrenamtlichen möglich, und die Caritas verzeichne derzeit einen hohen Zustrom an Freiwilligen. Renner, die selbst ehrenamtlich als Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) engagiert ist, warnte in dem Zusammenhang vor einem „Missverständnis“: „dass man bei Hauptamtlichen sparen kann und die Ehrenamtlichen dann deren Aufgabe übernehmen“. Renner: „Für ein lebendiges Pfarrleben braucht man ehrenamtlich engagierte Laien, und diese brauchen Unterstützung durch Hauptamtliche und durch die Institution und die tragenden Strukturen.“ Ihnen Unterstützung zu streichen, wie es etwa jetzt in der Diözese St. Pölten überlegt werde, führe in die genau falsche Richtung, so die KAÖ-Vizepräsidentin.
Inama, Renner, Theußl
Lehrt Not tatsächlich beten?
Krisen gehen nicht Hand in Hand mit einer Zunahme an Spiritualität, nach dem Motto: „Wenn es den Menschen schlechter gehen würde, dann würden sie mehr beten“, erklärte Jesuitenpater Inama, stellvertretender Rektor der Jesuitenkirche in Wien und Mitglied des Vorstands der „Concordia“-Sozialprojekte für arme und obdachlose Jugendliche in Osteuropa. Eine Krise könne aber eine Spiritualität, die vorhanden ist, stärker erfahrbar machen. Man könne „in der Krise aus den spirituellen Reichtümern der eigenen und anderer Religionen schöpfen“ und Halt finden. In diesem Sinne könne auch das Motto der KMBÖ-Sommerakademie „Du führst mich hinaus ins Weite“ verstanden werden.
Christliche Spiritualität sei zudem nicht nur eine individuelle Angelegenheit zwischen Gott und Mensch, sondern führe in eine Gemeinschaft, und es brauche die Gemeinschaft, um die eigene Spiritualität zu entwickeln und weiterzuführen. Auch gebe es eine „Gefahr der Suche nach ständigen spirituellen Highlights“. Schon der mittelalterliche Meister Eckhart habe dazu gesagt, Hilfe für Bedürftige sei im Fall des Falles der Vorrang zu geben vor Verzückung. „Ein spiritueller Mensch, ist ein Mensch, der sich nicht am Leben vorbeimogelt. Er ist ein Mensch, der auch in den Schrecken hineingeht und hindurchgeht und ihn bewältigt“, zitierte Inama den Priester und Publizisten Gotthard Fuchs. Es brauche eine Geisteshaltung und Orientierung, „die Menschen in schwierigen Situationen sieht und ihnen beisteht“.
Die KMBÖ-Sommerakademie 2023 vom 13. bis 15. Juli im Campus Horn in Niederösterreich stand unter dem Thema "Glaube und Verantwortung heute und morgen".
(jp/13.7.2023)